OLG München, Urt. v. 31.07.2019 – 7 U 339/19 -

Die Geltendmachung eines negativen Auseinandersetzungsguthabens gegenüber einem Kommanditisten setzt gem. § 167 Abs. 3 HGB eine rückständige Einlage voraus.

BGB §§ 735, 739; HGB § 167

Haben die Gesellschafter durch gesellschaftsvertragliche Regelung § 167 Abs. 3 HGB dahingehend abbedungen, dass der von den Gesellschaftern noch nicht geleistete Teil ihrer Pflichteinlage nur soweit „rückständig“ iSd. 167 Abs. 3 HGB sein soll, als durch Gesellschafterbeschluss von den Gesellschaftern die Zahlung des noch ausstehenden Teils ihrer Pflichteinlage verlangt werden kann, steht der Geltendmachung eines negativen Abfindungsguthabens die fehlende Fälligkeit des ausstehenden Teils der Einlage entgegen. (Leitsatz des Verf.)

OLG München, Urt. v. 31.07.2019 – 7 U 339/19 -

Zum Sachverhalt:

Die Parteien stritten um die Inanspruchnahme des Beklagten als Kommanditist wegen der restlichen Erbringung seiner Einlage.

Die Klägerin ist ein Filmfonds in der Form einer Publikums-KG.

Mit Beitrittserklärung vom 19.05.2003 beteiligte sich der Beklagte als Direktkommanditist mit einer Zeichnungssumme von 100.000,00 € an der Klägerin.

§ 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 2-4 des Gesellschaftsvertrages (Anl. K 4; im Folgenden als GV bezeichnet) lautete zum Beitrittszeitpunkt:
„(...) Die Treugeber und Direktkommanditisten sind verpflichtet, 54 % der Pflichteinlage zuzüglich eines Agios in Höhe von 3 % nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen als Geldeinlage zu leisten. 46 % der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn die Treugeber und Direktkommanditisten diesen Betrag in voller Höhe aus erwirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinnen der Gesellschaft leisten können. Sobald in dieser Höhe ausschüttungsfähige Gewinne zur Verfügung stehen, werden diese mit dem ausstehenden Teil der Pflichteinlage in gleicher Höhe verrechnet. Direktkommanditisten werden jeweils mit 103 % der Pflichteinlage als Haftsumme (...) in das Handelsregister eingetragen.“

§ 23 Nr. 6 Abs. 1 S. 2 GV lautet:
„Kann über die Höhe der Abfindung zwischen dem Komplementär und dem ausscheidenden Gesellschafter (...) kein Einvernehmen erzielt werden, wird die Abfindung durch einen von der Wirtschaftsprüferkammer München zu benennenden Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter, der auch über die Kosten seiner Inanspruchnahme entsprechende Bestimmung der §§ 91 f. ZPO zu befinden hat sic, verbindlich ermittelt.“

Der Beklagte zahlte 54 % des Beteiligungsbetrages zuzüglich 3 % Agio an die Klägerin.

Am 24.07.2012 fasste die Gesellschafterversammlung der Klägerin laut des ProtokoIIs der 10. ordentlichen Gesellschafterversammlung (AnI. K 2) folgenden Beschluss:
„Die Gesellschafterversammlung beschließt‚ den bisherigen Wortlaut des § 4 Ziffer 3 Abs. 1 S. 3 durch den folgenden Wortlaut zu ersetzen: „6 % der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn sie durch die Geschäftsführung der Gesellschaft zum Zwecke der Durchsetzung der steuerlichen Interessen sowie zur Bestandswahrung der Gesellschaft schriftlich eingefordert werden; der Rest der ausstehenden Pflichteinlage kann nur zinslos eingefordert werden, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wird.“

Mit Schreiben vom 27.01.2014 stellte die Klägerin 6 % der Pflichteinlage fällig und forderte den Beklagten entsprechend § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 GV n.F. auf, einen Betrag von 6.000,00 € einzuzahlen, was der Beklagte in der Folge auch tat.

Nach ordentlicher Kündigung der Beteiligung schied der Beklagte zum 31.12.2014 aus der Gesellschaft der Klägerin aus.

Die Klägerin behauptet, dass auf den 31.12.2014 ermittelte Abfindungsguthaben des Beklagten sei negativ und belaufe sich auf einen Betrag von -8.180,00 €.

Der Beklagte erwiderte u.a., dass gemäß § 4 Nr. 3 n. F. ein etwaiger Rest der ausstehenden Pflichteinlage nur eingefordert werden, wenn darüber ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst worden sei. Dies sei aber nicht geschehen. Somit bestehe gemäß § 167 Abs. 2 HGB gegenüber der Klägerin keine Verpflichtung des Beklagten auf Zahlung eines negativen Abfindungsguthabens.
Ferner erhob der Beklagte die Einrede des Schiedsvertrages, da die Klägerin das in § 23 GV vorgesehene Schiedsgutachten nicht erholt habe.

Das Landgericht München l wies mit Endurteil vom 10.12.2018 - 24 O 19777/17 - die Klage ab. Nach den Feststellungen des Gerichts war die Klage derzeit unbegründet, da von der Klägerin entgegen § 23 Ziffer 6 S. 2 GV kein Schiedsgutachten durch einen von der Wirtschaftsprüferkammer München zu benennenden Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater eingeholt worden sei.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts legte die Klägerin form- und fristgerecht Berufung ein.

Aus den Gründen:

Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen, da zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten am 31.12.2014 keine „rückständige Einlage“ mehr bestanden habe, sodass in Ermangelung eines weiteren Gesellschafterbeschlusses iSd. § 4 Ziffer 3 Abs. 1 S. 3 GV n.F. der Beklagte nicht über die von ihm bereits erbrachte Einlage hinaus am Verlust der Gesellschaft teilnehme und deshalb auch nicht den geforderten Betrag vom 8.180,00 € an die Klägerin zu zahlen habe.

Da die Verluste der Gesellschaft entsprechend dem Verlustanteil des Gesellschafters abzuschreiben seien, könne sein Kapitalkonto zwar grundsätzlich negativ werden. Dies bedeute für den Kommanditisten nach § 167 Abs. 3 HGB jedoch nur, dass er in Ermangelung besonderer Abreden oder Beschlüsse der Gesellschafter grundsätzlich nicht nachschusspflichtig sei und auch die §§ 735, 739 BGB nicht gelten würden, sodass er gegenüber den Mitgesellschaftern nicht ausgleichspflichtig werden könne. Er verliere allenfalls seinen (bislang) positiven Kapitalanteil und habe bei Verlusten der Gesellschaft, die den Kapitalanteil übersteigen, maximal die rückständige Pflichteinlage sowie die rückzahlbaren Entnahmen zu |eisten. Die Haftsumme spiele keine Rolle.

Da im streitgegenständlichen Fall ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über eine weitere Inanspruchnahme der Gesellschafter nicht gefasst wurde, bestehe aufgrund der vom Beklagten bereits erbrachten Zahlung von insgesamt 60 % der Zeichnungssumme keine „rückständige Einlage“ mehr, sodass der Beklagte als Kommanditist nicht mehr am Verlust der Gesellschaft teilnehme und deshalb ein etwaiges negatives Kapitalkonto auch nicht ausgleichen müsse.

Da mithin schon dem Grunde nach ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht besteht, brauchte sich das Oberlandesgericht mit der Frage, ob vorab ein Schiedsgutachten zur Höhe des negativen Abfindungsguthabens einzuholen gewesen wäre, nicht mehr zu beschäftigen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Oberlandesgericht die Revision in seinem Urteil ausdrücklich zugelassen.