OLG Hamm, Urteil v. 20.11.2007 – 4 U 98/07

Urteil veröffentlicht in: BeckRS 2008, 07008.

Im Rahmen der Verjährung darf ein Anleger regelmäßig auf die Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Beratung des Vermittlers vertrauen und ist nicht verpflichtet, die Aussagen des Vermittlers anhand der Lektüre des Prospekts zu überprüfen.

Dem von Rechtsanwalt Dr. Zimmermann erstrittenen Urteil liegt einer der bislang noch wenigen sog. „Schulungsleiter-Fälle“ zugrunde.

Die Klägerin, die als angestellte Konditorin 1.000,- DM im Monat verdiente, beteiligte sich im Jahr 2000 auf Vermittlung einer Beraterin einer Vertriebs-GmbH zum Zwecke der Steuerersparnis (!) als atypisch stille Gesellschafterin an der Frankonia Wert AG (heute Deltoton GmbH). Der Geschäftsführer des Vertriebs hatte die Vermittler bewusst und zweckgerichtet nur rudimentär über die bei dem Anleger durchzuführende Beratung geschult. Die Vermittler waren gehalten, die Beratung nach den Vorgaben eines sog. „strukturierten Verkaufsgesprächs“ durchzuführen, das eine Auseinandersetzung mit den Risiken der Beteiligung überhaupt nicht vorsah. Das Oberlandesgericht sah Anhaltpunkte für die Haftung des Beklagten in der Organisation der Schulungen und der Ermöglichung des Einsatzes der strukturierten Gespräche.

Weiterhin befasst sich das Urteil mit den Beratungspflichten eines Vermittlers, der übergeleiteten Haftung bei Firmenfortführung und der Frage der Verjährung.

Das Oberlandesgericht hat dabei insbesondere zu der Frage der Verjährung festgestellt, dass der Anleger regelmäßig auf die Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Beratung des Vermittlers vertrauen darf und nicht verpflichtet ist, die Aussagen des Vermittlers anhand der Lektüre des Prospekts zu überprüfen.

Diese in der Rechtsprechung und der Literatur vieldiskutierte Frage hat der Bundesgerichtshof unter ausdrücklichem Hinweis auf diese Entscheidung des OLG Hamm in seinem Urteil vom 08.07.2010 III ZR 249/09, NZG 2010, 947, 952 (in Textziffern 30, 31) als zutreffend bezeichnet.

Damit wurden die zuvor für notwendig erachteten Kontrollpflichten des Anlegers erstmals sachgerecht eingeschränkt. Der BGH hat erkannt, dass die Detailfülle der Prospektangaben mit zum Teil betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Fachausdrücken viele Anleger überfordert und eine unterlassene Lektüre daher kein Verschulden des Verbrauchers begründen kann.