LG München I, Urteil v. 27.10.2017 – 3 O 3849/17

Schikaneverbot steht Vollstreckungsabwehrklage entgegen

BGB § 226; ZPO § 767

Verweigert ein Vollstreckungsschuldner, der einen Geldbetrag Zug-um-Zug gegen Abtretung der Rechte einer wertlosen Kommanditbeteiligung zahlen soll, die Zahlung mit der Behauptung, der Gläubiger sei nicht mehr im Besitz der Beteiligung, dann ist die Ausnutzung dieser Rechtsposition unzulässig, da sie nur den Zweck hat, dem Gläubiger Schaden zuzufügen. (Leitsatz des Verf.)

LG München I, Urteil vom 27-10-2017 – 3 O 3849/17

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin wandte sich gegen die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftig Urteil wegen eines aus ihrer Sicht bestehenden Vollstreckungshindernisses.

Mit rechtskräftigem Urteil des OLG München vom 20.04.2016 – 20 U 3917/15 – wurde die Klägerin, die frühere Treuhänderin eines Filmfonds, verurteilt, an einen Anleger des Fonds 8.615,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2014 Zug-um-Zug gegen Abtretung der Rechte des Klägers aus der Beteiligung an der Fondsgesellschaft vom 04.05.2005 zu zahlen. Aus den Gründen des Urteils ergibt sich, dass die Klägerin dem Beklagten sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, den dieser durch fehlerhafte Prospektangaben erlitten hat.

Der Beklagte kündigte seine Beteiligung als Treugeber-Kommanditist an der Fondsgesellschaft mit Schreiben vom 20.04.2014 zum 31.12.2014. Mit Schreiben vom 02.07.2014 wies die Gesellschaft die außerordentliche Kündigung des Beklagten zurück. Gemäß Mitteilung der Steuerberaterin der Treuhänderin hat der Beklagte bei der Gesellschaft zum Stichtag 31.12.2014 ein negatives Auseinandersetzungsguthaben in Höhe von -2.619,99 €.

Mit ihrer bei dem LG München I eingereichten Vollstreckungsabwehrklage verfolgte die Klägerin das Ziel, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des OLG München für unzulässig zu erklären. Sie war der Ansicht, dass ein Vollstreckungshindernis bestehe, da der Beklagte nicht mehr im Besitz der Beteiligung an dem Filmfonds sei. Er könne – entgegen des Ausspruchs des Urteils des OLG München – seine Rechte an der Fondsgesellschaft nicht mehr an die Klägerin abtreten.

Aus den Gründen:

Das Landgericht hat die Vollstreckungsgegenklage mit Urteil vom 27.10.2017 – 3 O 3849/17 (nicht rechtskräftig) - abgewiesen. In seinen Entscheidungsgründen führte das Gericht aus, dass die Kündigung des Gesellschaftsanteils durch den Beklagten nicht zur Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des OLG München vom 20.04.2016 führe. Das Begehren der Klägerin sei mit den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht zu vereinbaren. Es wäre unbillig, wenn die Kündigung der wertlosen Beteiligung dazu führen würde, dass der Beklagte aus dem rechtskräftigen Titel nicht mehr vollstrecken könnte. Dieser Rechtsgedanke ergebe sich auch aus dem Schikaneverbot des § 226 BGB . Hiernach sei eine Rechtsausübung unzulässig, wenn sie nur den Zweck haben kann, dem anderen Schaden zuzufügen.

Zwar habe die Klägerin aufgrund des oben genannten Urteils eine formale Rechtsstellung erlangt, die sie grundsätzlich berechtige, die Zahlung von 8.615,49 € von der Abtretung aller Rechte des Beklagten an dem Filmfonds abhängig zu machen. Die Ausnutzung einer derartigen formalen Rechtsposition lasse aber - jedenfalls mangels anderweitiger Anhaltspunkte - auf eine Schädigungsabsicht des Berechtigten schließen, wenn dieser durch sein Beharren hierauf ersichtlich keinerlei Vorteil im weitesten Sinne zu erlangen vermöge und sein Verhalten geeignet sei, dem zur Leistung Zug-um-Zug-Verpflichteten Schaden zuzufügen.

Ein wirtschaftliches Interesse der Klägerin an der Abtretung der Rechte des Beklagten an der Fondsgesellschaft sei nicht ersichtlich. Unstreitig weise das Kapitalkonto des Beklagten einen negativen Wert aus. Gerade auch mit Rücksicht der auf die fehlende Äquivalenz zwischen der ausgeurteilten Leistung (Zahlung von 8.615,49 €) und Zug-um-Zug zu erbringender Gegenleistung könne das Verhalten der Klagepartei nicht anders gewertet werden, als dass es von der Absicht getragen sei, dem Beklagten Schaden zuzufügen, der insbesondere durch den Anfall der Kosten für einen zweiten Prozess und in der mangelnden Nutzungsmöglichkeit der im Vorprozess ausgeurteilten Summe liege.