LG Dresden, Urteil v. 28.02.2020 – 9 O 808/09

Der durch Eigenkündigung ausscheidende Gesellschafter hat ein negatives Abfindungsguthaben nicht zu zahlen, wenn sich aus den Vertragsunterlagen über die Höhe der Pflichteinlage ergibt, dass er zum Zeitpunkt seines Ausscheidens mit seiner Einlage auch nicht nur teilweise rückständig war.

HGB § 167 Abs. 3; BGB §§ 133, 157

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin ist ein geschlossener Fonds in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, der Beklagte war einer ihrer Direkt-Kommanditisten, bis er aufgrund eigener Kündigung zum 31.12.2015 ausschied. Vorliegend nimmt ihn die Klägerin auf Zahlung eines negativen Abfindungsguthabens in Anspruch.


Nach dem vom Beklagten am 24.09.2004 unterzeichneten Zeichnungsscheins beteiligte er sich mit 50.000,00 €. Im Anschluss daran heißt es: Einzahlungsverpflichtung: 50 % zzgl. 3 % Agio des Beteiligungsbetrages: € 26.500,- auf das kollektiv gezeichnete Mittelverwendungskonto der (Klägerin) bei der (…) spätestens eine Woche nach Zugang der Annahmeerklärung. Um die genannten Beträge wurde der ansonsten maschinenschriftliche Teil der Beitrittserklärung handschriftlich ergänzt.

Nachstehend ist bei „Direkt-Kommanditist“ zu lesen: Nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages der Klägerin und auf Grundlage des Prospekts vom März 2004 beteilige ich mich als Direkt-Kommanditist und verpflichte mich, 50 % des Beteiligungsbetrages zzgl. Agio einzuzahlen (…). In das Handelsregister werde ich mit einer Hafteinlage in Höhe meines Beteiligungsbetrages (zzgl. 3 % Agio) = 103 % eingetragen. Mir ist bewusst, dass ich in Höhe der Hafteinlage gemäß Handelsregistereintragung hafte, soweit diese noch nicht vollständig geleistet ist.

In § 4 Ziff. 3 Abs. 2 Satz 2 a. F. bestimmte der Gesellschaftsvertrag damals auszugsweise Folgendes: Die Treugeber und Direkt-Kommanditisten sind verpflichtet, 50 % der Pflichteinlage zuzüglich eines Agio in Höhe von 3 % nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen als Bareinlage zu leisten. 50 % der Pflichteinlage werden zinslos fällig wenn die Treugeber und Direkt-Kommanditisten diesen Betrag in voller Höhe auswirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinnen der Gesellschaft leisten können. Sobald in dieser Höhe ausschüttungsfähige Gewinne zur Verfügung stehen, werden diese mit dem ausstehenden Teil der Pflichteinlage in gleicher Höhe verrechnet. Seit der in der Gesellschafterversammlung vom 25.07.2012 mit Stimmenmehrheit beschlossenen Änderung der Regelung besagt sie, dass 4,5 % der Pflichteinlage zinslos fällig werden, wenn sie durch die Geschäftsführung der Gesellschaft zum Zwecke der Durchsetzung der steuerlichen Interessen sowie zur Bestandswahrung der Gesellschaft schriftlich eingefordert werden; der Rest der ausstehenden Pflichteinlagen kann nur zinslos durch die Geschäftsführung eingefordert werden. wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wird.

Auf schriftlicher Aufforderung der Klägerin vom 27.01.2014, die fällig gestellten 4,5 % der Pflichteinlage zu zahlen, überwies der Beklagte 2.250,00 €. Nach seinem Beitritt hatte er bereits 26.500,00 € überwiesen. Von seinem Standpunkt aus macht er geltend, auch mangels Fälligkeit der ganzen Einlagenzahlung mit keinem Betrag rückständig zu sein.

Nach der Darstellung der Klägerin errechnet sich bezogen auf den 31.12.2015 ein negatives Abfindungsguthaben des Beklagten in Höhe von 5.505,00 Euro. Die Errechnung dieses Betrages sei nach dem IDW S1-Standard von ihren steuerlichen Beratern durchgeführt und von einem Wirtschaftsprüfer bestätigt worden.

Aus den Gründen:

Die Klage der Fondsgesellschaft blieb ohne Erfolg. Nach den Feststellungen des Landgerichts scheitert sie an § 167 Abs. 3 HGB, nach welcher Vorschrift ein Kommanditist an dem Verlust nur bis zum Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teilnimmt.

Bei richtigem Verständnis der gesellschaftsvertraglichen Klauseln über die Höhe der Pflichteinlage ergebe sich, dass der Beklagte zum Zeitpunkt seines Ausscheidens mit seiner Einlage auch nicht nur teilweise rückständig war.

Ausgangspunkt der Auslegung des § 4 Ziffer 3 Abs. 2 Satz 2 a. F. des Gesellschaftsvertrages sei dessen Wortlaut. Dieser lege das Verständnis nahe, dass die restlichen 50 % der Pflichteinlage zu einem bestimmten Zeitpunkt durch Verrechnung - wohl richtiger: durch Aufrechnungserklärung der Klägerin - gegen einen Anspruch eines Direkt-Kommanditisten auf Ausschüttung von Gewinnen erbracht werden. So gesehen sei Inhalt der Klausel schlicht, ein Hin- und Herzahlen zu vermeiden. Diese Lesart sei nach Ansicht des Gerichts allerdings unvollständig. Sie lasse außer Betracht, dass konzeptionell offen war, ob überhaupt und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt die Klägerin Gewinne erwirtschaften würde, die aufrechenbaren Ansprüchen der Direkt-Kommanditisten zum Ergebnis hätten. Es sei zwar das Anlageversprechen der Klägerin gewesen, dass aus ihrer Tätigkeit entsprechende Gewinne auszuschütten sein werden. Die Klägerin habe im Prozess geltend macht, dass es zu einer solchen Lage aber nie gekommen sei, weil die erwirtschafteten Erlöse in der vorgesehenen Weise dafür verwendet worden seien, Re-Investitionen zu tätigen und die von der Klägerin auf Gesellschaftsebene aufgenommenen Darlehen zurückzuführen.

Aufgrund dieser Sachlage konnte das Landgericht die für das Verständnis einer Fälligkeitsklausel maßgebliche Bestimmbarkeit der zeitlichen Staffelung der weiteren Einlageverpflichtung (vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2017 - II ZR 284/15 — Tz 23: monatliche Raten), der dann eine betagte Forderung der Klägerin korrespondieren würde, nicht finden. Habe sich damals nach dem Anlagekonzept kein Zeitpunkt bestimmen lassen, ab dem die Direkt-Kommanditisten bei regelmäßigem Verlauf der Dinge an den Gewinnen zu beteiligen sein werden, ließe sich nicht davon sprechen, dass im Zeitpunkt des Beitritts eines Kommanditisten absehbar war, wann die zeitliche Staffelung beginnt. Der Eintritt eines ungewissen Ereignisses könne nach den Feststellungen des Gerichts nicht der zeitlichen Staffelung wie bei der Fälligkeit gleichstehen. Im Ergebnis waren damit die Direkt-Kommanditisten an eine Entscheidung der Klägerin gebunden und die Klägerin in ihrer Entscheidung frei. Darauf, dass die Klausel daran eine Fälligkeit knüpft, komme es nur bei einer „dem Wortlaut der Klausel verhafteten Verständnis“ von ihrem Inhalt an. Dies würde im Streitfall allerdings zu kurz greifen.

Es komme hinzu, dass sich eine auf Zahlung gerichtete Leistungspflicht eines Direkt-Kommanditisten nur bei einer ergänzenden Auslegung der Vertragsklausel ergebe, dass die restlichen 50 % der Einlage zu zahlen seien, wenn sich keine Aufrechnungslage ergebe. Eine solche ergänzende Auslegung zum Nachteil des Beklagten komme nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 07.11.2017 - II ZR 127/16). Der durchschnittliche Anleger, der sich für eine Beteiligung als Direkt-Kommanditist entschieden habe, werde angesichts des Anlageversprechens der Klägerin nicht in seine Überlegungen einbezogen haben, dass er mit einer weitergehend durch Zahlung zu bewirkenden Tilgung seiner Einlagenschuld als in Höhe der ersten Hälfte rechnen müsse. Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 05.02.2020 auf den Inhalt des Zeichnungsscheins abstelle, wonach sich der Beklagte mit einem Betrag von 50.000,00 € beteiligte, lasse sie schon außer Acht, dass sich ein Direkt-Kommanditist nach den Angaben im maschinenschriftlichen Teil des Zeichnungsscheins lediglich verpflichte, 50 % des Beteiligungsbetrages zzgl. Agio einzuzahlen. Die Einzahlungsverpflichtung in dieser Höhe spätestens eine Woche nach Zugang der Annahmeerklärung sei nach dem Inhalt des an dieser Stelle in Bezug genommenen Gesellschaftsvertrages nicht so gemeint, dass die zweite Hälfte in zeitlicher Staffelung zu zahlen sei. Die sonstigen Angaben des Zeichnungsscheines zur Haftung in Höhe der Hafteinlage betreffe lediglich das Außenverhältnis des Gesellschafters (vgl. OLG München, Urt. v. 12.10.2016 - 7 U 2180/16 — Tz 27) und könnten deswegen für die Bestimmung der allein das Innenverhältnis betreffenden Pflichteinlage nicht herangezogen werden. Nach allem durfte der durchschnittliche Anleger den Gesellschaftsvertrag auch unter Berücksichtigung der Angaben in den sonstigen Unterlagen abschließend so verstehen, dass er lediglich in Höhe der zweiten Hälfte der Einlage keine Gewinnbeteiligung erhalten werde.

Danach war die Klage ohne weitere Erörterungen mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abzuweisen.